Kulturgeschichte des Klimas by Behringer Wolfgang

Kulturgeschichte des Klimas by Behringer Wolfgang

Autor:Behringer, Wolfgang [Behringer, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406625053
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-11-17T16:00:00+00:00


Kleine Eiszeit und Malerei

Eines der erregendsten Gemälde der Frühen Neuzeit wurde von Kaiser Rudolf II. zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben, als er sich noch besserer psychischer Gesundheit erfreute. Das weltliche Oberhaupt der Christenheit ließ sich von seinem Hofmaler Giuseppe Arcimboldo (1527–1593) als heidnischer Gott der Fruchtbarkeit porträtieren, das Antlitz zusammengesetzt aus exotischen und heimischen Früchten, Getreide-Ähren, Esskastanien, Mais, Zucchini und Pfirsichen, ein Arrangement mit surrealistischen Zügen.[32] Unfruchtbarkeit war ein Problem der Jahre um 1570, einer Zeit der entsetzlichsten Hungerkrisen in Mitteleuropa. Der Vorschlag, den Kunststil des Manierismus als Indiz für die steigende gesellschaftliche Instabilität und Unsicherheit zu betrachten, für die Gebrochenheit des Zeitalters, wie dies von Arnold Hauser (1892–1978) vorgeschlagen wurde,[33] den Barock dagegen für den Wiedergewinn einer neuen Balance, findet unter Kunsthistorikern wenig Gegenliebe.[34] Dasselbe gilt für Hans Neubergers Nachweis des Klimawandels durch Zählung der Wolken in der Landschaftsmalerei.[35] Auf mittelalterlichen Tafelbildern mit Goldhintergrund wird man so wenig Wolken erwarten können wie in der abstrakten Malerei des 20. Jahrhunderts. Andererseits ist es doch erstaunlich, wie häufig dunkle Wolken bei Künstlern wie El Greco (1541–1614) auftauchen. Es mag ja sein, dass die Gestaltung des Himmels bei seiner «Entkleidung Christi» zur «Spiritualisierung des Themas» beiträgt,[36] doch spricht nichts dagegen, sie mit den Veränderungen der Natur zusammenzubringen. Düstere Wolken tauchen sogar im Bildhintergrund von Holzschnitten und Kupferstichen auf, obwohl sie mit diesen Techniken schwer darzustellen sind. Abseits genrehafter Jahreszeitenbilder wird die Witterung erstmals in großformatigen Bildern thematisiert, etwa in Pieter Brueghels d. Ä. (1525–1569) «Düsterem Tag», in welchem «unter einem grauen Himmel, an dem ein kalter Wind die grauen Wolken vor einem bleichen Mond herjagt … die stählern-grauen Berge mit ihren verschneiten Gipfeln» sich über einer wie festgefroren daliegenden Stadt erheben, der Sturm Schiffe in Seenot bringt und ein ufernahes Dorf verwüstet.[37] Noch suggestiver ist die Erfindung eines neuartigen Zweiges der Landschaftsmalerei: der Winterlandschaft. Brueghels Die Heimkehr der Jäger, der Prototyp aller Winterlandschaften, strahlt in seiner müden Farbgebung ein beträchtliches Ausmaß an Strenge und Trostlosigkeit aus.[38] Dieses Bild transzendiert mit seinem bleigrauen, eisigen Himmel die genrehaften Züge der Jahreszeitdarstellung. «In der Heimkehr der Jäger nimmt jede Form auf ihre Art an der Wesenheit des Winters teil: Die Bäume scheinen eher in den Boden eingerammt als der Erde zu entsprießen, in ihrer komplizierten Verwicklung sind die Äste ausgetrocknet und brüchig; wie fröstelnd ducken sich die Häuser unter ihren Schneehüten; die spitzen Formen der Berge lassen diese wie Eisblöcke erscheinen, Menschen und Tiere werden zu finsteren Silhouetten, ihrem eigenen Schatten ähnlich.»[39] Brueghel testete das Thema der Winterlandschaft in seinen letzten Lebensjahren in zahlreichen Varianten, wie etwa der «Volkszählung von Bethlehem» (Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts) aus dem Jahr 1566 oder dem «Bethlehemitischen Kindermord» (Wien, Kunsthistorisches Museum), in dem die römische Soldateska in einem verschneiten niederländischen Dorf wütet. Ihr Anführer trägt die Züge des spanischen Statthalters in den Niederlanden, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba (1507–1582): Römischer und spanischer Terror, Heils- und Nationalgeschichte gehen nahtlos ineinander über. Eines seiner verblüffendsten Beispiele, die «Anbetung der Heiligen Drei Könige im Schnee» (Winterthur, Sammlung Reinhart), hat nichts Liebliches an sich.



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